Ethik und Verantwortlichkeit: Wer haftet bei App-basierten Interventionen?
21.11.2025

Ethik und Verantwortlichkeit in der Psychotherapie – Wer haftet bei App-basierten Interventionen?
Digitale Begleittools wie die Levin-App können therapeutische Arbeit sinnvoll ergänzen, ohne ihre Qualität zu beeinträchtigen. Dabei sind Transparenz, informierte Einwilligung und klare Grenzen entscheidend. Levin unterstützt beispielsweise durch regelmäßige Auswertungen und personalisierte Inhalte die Strukturierung therapeutischer Prozesse. Therapeut:innen bleiben jedoch für Diagnose, Behandlung und Notfallentscheidungen verantwortlich; Apps unterstützen die Umsetzung der Therapieplanung.
Die App weist ausdrücklich darauf hin: „Die Levin App ersetzt keine Therapie, Beratung oder Coaching, sondern unterstützt beim Verständnis, der Selbstreflexion und der eigenständigen Umsetzung. Wenn akute psychische Beschwerden bestehen, wende dich bitte an eine qualifizierte Fachperson.“
Grundsätzliche ethische Fragen
Bei der Nutzung von digitalen Interventionen stellen sich mehrere, eng miteinander verknüpfte ethische Fragen: Wer trägt die Verantwortung für die Behandlungsergebnisse und für das Risikomanagement? Wie wird die Notfallversorgung sichergestellt, wenn ein akuter Bedarf entsteht? Wo sind die Grenzen der Automatisierung und welche Aufgaben dürfen oder sollen nicht automatisiert werden? Welche Pflichten haben Therapeut:innen, wenn sie Apps empfehlen oder in Behandlungsprozesse integrieren?
Haftung – wer haftet wofür?
Die Verantwortung für medizinisch-therapeutische Kernaufgaben liegt weiterhin bei den Therapeut:innen. Dazu gehören Diagnose und differentialdiagnostische Abklärung, Festlegung und Anpassung des Behandlungsplans, Entscheidungen in Krisensituationen und bei Suizidalität sowie Aufklärung und Einholung der informierten Einwilligung zur Behandlung.
Apps wie Levin übernehmen keine medizinische Zulassung als Therapeut:innen-Ersatz. Ihre Haftung ist meist auf die Funktionalität der Software, Datensicherheit und vertragliche Zusicherungen beschränkt. In der Praxis ergibt sich die Haftungsverteilung aus dem Verhältnis zwischen Therapeut:in und Patient:in, der vertraglichen Beziehung zwischen Nutzer:in und App-Anbieter, dem tatsächlichen Einsatz der App im Therapiekontext sowie der Dokumentation und Nachvollziehbarkeit des Vorgehens.
Risikomanagement und Notfallversorgung
Eine sichere Einbindung von Apps in die Therapie erfordert klare Prozesse. Die App kann für die Umsetzung von Krisenpläne genutzt werden – diese sollten gemeinsam mit der Therapeutin/dem Therapeuten erstellt und regelmäßig geprüft werden. Nutzer:innen müssen klar und deutlich instruiert werden, wie sie in akuten Fällen vorgehen, beispielsweise durch das durchführen von Übungen, Notruf, psychiatrische Notaufnahme oder Bereitschaftsdienste.
Levin unterstützt regelmäßige Messungen des Therapiefortschritts, die Evaluation und Anpassung der Therapie erleichtern. Jede Empfehlung, die App-Unterstützung und jede Krise sollten zeitnah dokumentiert werden – idealerweise mit Datums- und Zeitstempeln.
Grenzen der Automatisierung
Automatisierte Funktionen können Routineaufgaben erleichtern, etwa durch Erinnerung an Hausaufgaben, strukturierte Tagebücher oder personalisierte Übungen. Grenzen sind dort, wo klinische Einschätzungen, komplexe Entscheidungsfindung oder ethisch sensible Interventionen nötig sind. Nicht zu automatisierende Aufgaben sind beispielsweise das Abwägen von Suizidalitätsrisiken und Einleitung von Schutzmaßnahmen, die Differentialdiagnostik komplexer psychischer Störungen oder die Anpassung von Medikamenten und formale therapeutische Indikationen.
Levin wird in Zukunft evidenzbasierte Übungsvorschläge und personalisierte Empfehlungen anbieten können, ersetzt aber nicht die klinische Entscheidungskompetenz der Therapeutin/des Therapeuten.
Datenschutz, Transparenz und Einwilligung
Datenschutz ist ein zentraler ethischer und rechtlicher Aspekt. Patient:innen müssen verständlich informiert werden, welche Daten zu welchem Zweck erhoben, gespeichert und ggf. geteilt werden. Levin ermöglicht, dass Aufklärungs- und Behandlungsinformationen jederzeit einsehbar sind. Digitale, datums- und zeitgestempelte Einwilligungen sowie Versionierung schaffen Nachweise zur Aufklärung und dienen der Rechenschaftspflicht.
Technische Maßnahmen wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und rollenbasierte Zugriffskontrollen reduzieren datenschutzrechtliche Risiken. Levin unterstützt DSGVO-konforme Funktionen wie verschlüsselte Übertragung, Rollen- und Zugriffskontrolle sowie Protokollierung, die zeigen, wer wann Daten geteilt hat.
Praktische Empfehlungen für Therapeut:innen
Um ethisch und rechtlich sicher mit App-basierten Interventionen zu arbeiten, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Bespreche vorab mit der Patient:in Zweck, Grenzen und Datenschutz der App und halte die Einwilligung dokumentiert fest. Notiere im Behandlungsplan, wie und warum die App eingesetzt wird, welche Daten erhoben werden und welche Eskalationsregelungen gelten.
Was Patient:innen wissen sollten
Wenn du eine App wie Levin in deiner Therapie nutzt, achte darauf, dass du das Recht auf transparente Information darüber hast, welche Daten wofür genutzt werden. Die App kann die Therapie unterstützen, ersetzt sie aber nicht. Bei akuten Problemen wende dich umgehend an die zuständigen Notdienste oder an deine Therapeut:in. Du kannst Einwilligungen jederzeit anpassen; frage deine Therapeut:in, wenn etwas unklar ist.
Fazit
App-basierte Interventionen bieten große Chancen, Therapie im Alltag zu verankern, die Kontinuität zu stärken und evidenzbasierte Übungen zugänglich zu machen. Gleichzeitig müssen Verantwortung, Haftungsfragen und ethische Pflichten offen, nachvollziehbar und dokumentiert bleiben. Therapeut:innen tragen weiterhin die zentrale Verantwortung für Diagnose, Behandlungsentscheidungen und Notfallversorgung.